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Die Gastronomie-Falle im TV: Zwischen Schickimicki-Gourmet und der Mär vom billigen Heimatessen

Ach, das Fernsehen! Unser treuer Begleiter durch den Feierabend, der uns mit glitzernden Bildern und wohlfeilen Botschaften bei Laune hält. Besonders wenn es um das geliebte Thema Essen geht, legen sich die Sender mächtig ins Zeug. Da haben wir auf den Hauptkanälen das große Besteck: Sternekoch XY zaubert mit Pinzette und flüssigem Stickstoff ein Amuse-Bouche, das mehr kostet als eine Monatsmiete im Vogtland. Es ist die Welt des Schickimicki-Gourmets, der dekadenten Anrichtekunst, die uns staunend vor dem Bildschirm zurücklässt, während wir unsere Tiefkühlpizza aufwärmen. Ein völlig überzogener Anspruch, der uns flüstert: „So muss Genuss sein! So sieht Erfolg aus!“

Die Heimat-Nische: Gemütlich, günstig, gelogen?

Parallel dazu, oft auf den Dritten Programmen, spielt sich eine ganz andere Inszenierung ab. Hier wird die „Heimatküche“ zelebriert. Rustikale Gaststuben, urige Wirte und Rezepte, die angeblich schon Uroma kannte. Besonders im Osten Deutschlands erlebt man oft eine wahre Lobhudelei auf „alte Klassiker“, auf „ehrliche Hausmannskost“ und natürlich – ganz wichtig! – auf den „günstigen Preis“. Die Story ist unwiderstehlich: „Hier geht’s noch ohne Schnickschnack! Hier kostet eine Portion Sülze noch das, was sie wert ist!“ Das Publikum nickt selig, fühlt sich verstanden und denkt: „Ach, das ist ja herrlich bodenständig!“

Und genau hier, im idyllischen Bild der bodenständigen Preisgestaltung, versteckt sich die ganz große Ironie und die bittere Pille für den Gastronomen.

Die unsichtbare Zeche: Wer zahlt für die Idylle?

Das Fernsehen – ob Hauptsender oder Dritte Programme – verkauft eine Illusion. Die Schickimicki-Show erzeugt einen unerreichbaren Goldstandard, der Otto Normalverbraucher abschreckt. Die „Heimat-Sendung“ hingegen gaukelt vor, dass Qualität und authentischer Geschmack noch für einen Appel und ein Ei zu haben sind.

Für den Gastronomen, der sich von dieser „tollen Story“ angesprochen oder gar inspiriert fühlt, wird das Ganze zur Zwickmühle:

  • Hohe Erwartungen, niedrige Preisbereitschaft: Der Gast, der die Sendung gesehen hat, kommt mit der Erwartungshaltung, dass der „Soljanka-Klassiker wie bei Muttern“ oder der „sächsische Sauerbraten“ nicht nur schmeckt wie damals, sondern auch so wenig kostet wie damals. Die Botschaft „Es geht doch noch günstig!“ brennt sich ins kollektive Gedächtnis ein.
  • Betriebswirtschaftliche Realität ignoriert: Was das Fernsehen geflissentlich unerwähnt lässt, sind die explodierenden Kosten: gestiegene Einkaufspreise für Lebensmittel, horrende Energiepreise, steigende Personalkosten (Mindestlohn ist super, muss aber bezahlt werden!), Miete, Reparaturen, Gebühren und die Mehrwertsteuer, die im Restaurant bei 19% liegt und nicht bei 7%. All diese Faktoren machen es unmöglich, „günstig“ zu bleiben, wenn man gleichzeitig Qualität und einen fairen Lohn für seine Mitarbeiter bieten will.
  • Der Gastronom als Verlierer: Am Ende wird der Wirt, der versucht, die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, zum Leidtragenden. Er muss entweder an Qualität sparen (und damit seinen Ruf riskieren) oder seine Preise erhöhen (und damit die Gäste vergraulen, die das „günstige Essen“ aus dem Fernsehen erwarten). Er wird in eine Ecke gedrängt, in der er kaum gewinnen kann. Seine harte Arbeit, seine Leidenschaft und sein oft jahrelanges Engagement finden in der romantisierten TV-Story keinen Platz – nur der „günstige Preis“ zählt als Nachricht.

Fazit: Das Ende der Preis-Romantik

Die Medien lieben die Story von „billig und gut“, weil sie Klicks und Einschaltquoten generiert. Sie lieben die Story von „exklusiv und dekadent“, weil sie Glamour verspricht. Beide Narrative sind jedoch für die echte Gastronomie, die jeden Tag ums Überleben kämpft, oft eine Mogelpackung.

Es ist an der Zeit, dass wir als Zuschauer kritischer werden. Eine ehrliche Preisgestaltung ist kein Blödsinn, sondern die Grundlage für das Überleben unserer lokalen Restaurants und Gasthäuser. Der Charme der „Heimatküche“ ist unbestreitbar, aber er hat seinen Preis – einen Preis, der es dem Gastronomen erlaubt, nicht nur zu überleben, sondern auch weiter mit Leidenschaft für uns zu kochen, ohne dabei selbst zum Verlierer der Story zu werden.

Denn am Ende wollen wir doch alle, dass unsere Lieblingslokale nicht nur authentisch, sondern auch nachhaltig existieren können. Und das geht nur, wenn wir die volle Rechnung verstehen – die nicht nur im Fernsehen läuft, sondern auf dem Kassenzettel steht.

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