Brasilien – das ist nicht nur Karneval, Fußball und Caipirinha, sondern auch eine Schatzkiste voller Sprichwörter und Redewendungen, die die Seele des Landes, seine Geschichte und seinen einzigartigen Humor widerspiegeln. Diese provérbios und expressões sind weit mehr als nur Worte; sie sind kulturelle Codes, die viel über die Mentalität, die Werte und den Alltag der Brasilianer verraten. Tauchen wir ein in die faszinierende Welt der brasilianischen Volksweisheiten!
1. „Quem quer, dá um jeito. Quem não quer, arruma uma desculpa.“ Übersetzung: „Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.“ Ursprung: Diese Lebensweisheit ist universell, aber in Brasilien besonders populär, da sie die Mentalität des „Jeitinho Brasileiro“ (siehe unten) auf eine positive Art und Weise einfängt – die Fähigkeit, kreativ Lösungen zu finden. Ihr Ursprung ist nicht auf ein spezifisches Ereignis zurückzuführen, sondern hat sich als allgemeingültige Motivation und Kritik an mangelnder Initiative etabliert.
2. „Terminar em pizza.“ Übersetzung: „In Pizza enden.“ Bedeutung: Wenn eine Angelegenheit (oft ein Skandal oder ein Streit) „in Pizza endet“, bedeutet das, dass die Verantwortlichen ungestraft davonkommen und die Sache im Sande verläuft. Ursprung: Diese Redewendung hat ihren Ursprung im brasilianischen Fußball der 1960er Jahre. Nach einer 14-stündigen, erbitterten Krisensitzung der Vereinsführung von Palmeiras, die zu keinem Ergebnis führte, beendeten die Beteiligten das Treffen schließlich in einer Pizzeria, wo der ganze Streit mit gemeinsamen Essen und Lachen vergessen war. Ein Sportjournalist prägte daraufhin den Ausdruck. Später wurde er auf politische Skandale und Unstrafbarkeit übertragen.
3. „Puxa-saco.“ Übersetzung: Wörtlich: „Sackzieher“ Bedeutung: Eine Person, die jemandem (oft einer höhergestellten Person) übermäßig schmeichelt oder kriecherisch ist, um persönliche Vorteile zu erzielen; ein Schleimer oder Speichellecker. Ursprung: Der Ausdruck soll aus den brasilianischen Kasernen stammen. Untergeordnete Soldaten mussten die Säcke mit Vorräten ihrer Vorgesetzten während Märschen oder Kampagnen tragen. Wer dies besonders eifrig und devot tat, um in der Gunst aufzusteigen, wurde zum „Sackzieher“.
4. „Enfiar o pé na jaca.“ Übersetzung: Wörtlich: „Den Fuß in die Jackfrucht stecken.“ Bedeutung: Über die Stränge schlagen, maßlos sein, sich gehen lassen, betrunken sein. Ursprung: Die Jackfrucht (jaca) ist eine sehr klebrige Frucht. Die Vorstellung, den Fuß hineinzustecken, evoziert ein Bild von Unordnung und dem Feststecken in einer unangenehmen Situation, die man sich selbst eingebrockt hat. Eine andere Theorie besagt, dass jacá auch ein alter Begriff für einen Sattelkorb war, den Viehtreiber nach dem übermäßigen Alkoholkonsum umstießen.
5. „Cada macaco no seu galho.“ Übersetzung: „Jeder Affe auf seinem Ast.“ Bedeutung: Jeder sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und sich nicht in die anderer einmischen. Ursprung: Dies ist ein direktes Bild aus der Tierwelt des Regenwaldes. Affen leben auf Bäumen und besetzen ihre eigenen Äste oder Bereiche. Das Sprichwort mahnt zur Wahrung der Privatsphäre und zur Konzentration auf die eigenen Aufgaben.
6. „Água mole em pedra dura tanto bate até que fura.“ Übersetzung: „Weiches Wasser auf hartem Stein, so lange es schlägt, bis es durchbricht.“ Bedeutung: Mit Beharrlichkeit und Ausdauer kann man auch die schwierigsten Hindernisse überwinden. Ursprung: Diese Metapher ist uralt und findet sich in vielen Kulturen. Sie spiegelt die Beobachtung wider, dass selbst scheinbar schwache Kräfte durch ständige Wiederholung und Beharrlichkeit große Wirkung erzielen können, wie eben Wassertropfen, die über lange Zeit Steine aushöhlen.
7. „Em terra de cego, quem tem um olho é rei.“ Übersetzung: „Im Land der Blinden ist der Einäugige König.“ Bedeutung: Selbst mit begrenzten Fähigkeiten kann man sich in einem Umfeld von Unwissenheit oder Unfähigkeit durchsetzen. Ursprung: Auch dieses Sprichwort ist international verbreitet und findet sich in ähnlichen Formen in vielen Sprachen. Es beschreibt die relative Bedeutung von Wissen oder Fähigkeit in einem Kontext, in dem diese Eigenschaften selten sind.
8. „Santo de casa não faz milagre.“ Übersetzung: „Der Heilige zu Hause vollbringt keine Wunder.“ Bedeutung: Man wird im eigenen Umfeld, bei der eigenen Familie oder unter Bekannten oft nicht so geschätzt oder ernst genommen wie von Fremden. Oder: Man kann zu Hause oft nicht so gut helfen, wie man es sich wünschen würde, weil man zu nah am Geschehen ist. Ursprung: Vermutlich eine Anspielung auf die Verehrung von Heiligen. Ein Heiliger, der weit weg verehrt wird, scheint mächtiger als der, der „direkt vor der Haustür“ ist und dessen Menschlichkeit man zu gut kennt. Es geht um die fehlende Wertschätzung des Vertrauten.
9. „Deus ajuda a quem cedo madruga.“ Übersetzung: „Gott hilft dem, der früh aufsteht.“ Bedeutung: Fleiß und frühes Aufstehen werden belohnt. Ursprung: Eine direkte Entsprechung des deutschen „Morgenstund hat Gold im Mund“ und vieler ähnlicher Sprichwörter weltweit. Es ist eine Ermutigung zu Disziplin und harter Arbeit und spiegelt die Wertschätzung dieser Eigenschaften wider.
10. „Mão de vaca.“ Übersetzung: Wörtlich: „Kuhhand“ Bedeutung: Geizig, knauserig, jemand, der schwer Geld ausgibt. Ursprung: Die genaue Herkunft ist etwas nebulös, aber die Assoziation mit der „Hand der Kuh“ könnte von der Vorstellung kommen, dass Kühe nicht so leicht „loslassen“ oder „geben“, oder es spielt auf die Härte und Unbeweglichkeit an, wenn man die Hand nicht öffnet. Es ist eine sehr bildliche Umschreibung für Geiz.
Diese Sprichwörter geben einen wunderbaren Einblick in die brasilianische Kultur und die Art und Weise, wie die Menschen dort über das Leben, Beziehungen und Herausforderungen denken. Sie sind lebendige Zeugen der Geschichte und der Seele Brasiliens.
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