Meine lieben Online-Pioniere von einst, erinnert ihr euch noch an die glorreichen Zeiten, als der eigene Onlineshop das Nonplusultra war? Als man stolz seine digitale Auslage präsentierte und hoffte, der nächste Jeff Bezos zu werden? Ja, das waren Zeiten. Aber wie es so oft im Leben ist, witterten auch damals schon unzählige findige Geister ihre Chance, ein Stück vom Kuchen abzubekommen – ganz ohne selbst backen zu müssen.
Es war ein wahrer Dschungel an „unverzichtbaren“ Dienstleistungen, die plötzlich wie Pilze aus dem digitalen Boden schossen. Bezahldienste, die einem versicherten, das Geld würde irgendwann ankommen (gegen eine kleine Gebühr, versteht sich). Bewertungsdienste, die einem Sterne verliehen, deren Leuchtkraft proportional zur monatlichen Pauschale zu sein schien. Gütesiegel, die dem Kunden signalisierten: „Vertrau uns, wir sind zertifiziert… von wem auch immer!“ Dann die Aftersales-Experten, die einem versprachen, die unzufriedenen Kunden so lange mit Worthülsen zu bearbeiten, bis sie entweder aufgaben oder freiwillig ein besseres Produkt kauften (natürlich gegen Provision). Und nicht zu vergessen die Logistik-Spezialisten, die einem die Ware zwar transportierten, aber gefühlt für jeden Handgriff extra kassierten.
Jeder dieser „helfenden“ Engel klopfte freundlich an die digitale Tür und flötete: „Wir sind unverzichtbar für Ihren Erfolg! Für nur 3 bis 5 Prozent Ihres Auftragswertes (oder eine bescheidene Monatspauschale) nehmen wir Ihnen diese lästige Aufgabe ab!“ Und weil jeder einzelne Dienst ja irgendwie „Sinn“ machte (in der Theorie zumindest), konnte man sich als gewissenhafter Händler schnell dazu verleiten lassen, gleich ein ganzes Orchester dieser Dienstleister zu engagieren.
Das Ergebnis? Man schmückte seinen Onlineshop mit bunten Logos, glänzenden Zertifikaten und dem Versprechen eines reibungslosen Ablaufs – während im Hintergrund die Kosten explodierten. Denn wenn man mal ehrlich zusammenrechnete, landete man schnell bei zehn oder mehr dieser „Partner“. Und wenn die durchschnittliche Händlermarge schon bei mageren 30 Prozent lag, fragte man sich irgendwann: Wer zum Teufel verdient hier eigentlich das große Geld? Etwa die, die einem das goldene Siegel für 99 Euro im Monat verkauft haben? Oder der Bezahldienst, der für jede Transaktion abkassierte, egal ob der Kunde am Ende zufrieden war oder nicht?
Es war ein bisschen wie in einem schlechten Piratenfilm, in dem die Hälfte der Crew nur darauf aus ist, den Kapitän um seine Beute zu erleichtern. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen, aber kaum jemand trug tatsächlich dazu bei, dass der Kuchen größer wurde.
Die Ironie der Geschichte ist natürlich, dass viele dieser Dienstleister mit dem Argument kamen, sie würden helfen, den Umsatz zu steigern. Aber wenn am Ende des Monats mehr Geld an die „Helfer“ floss als tatsächlich Gewinn übrigblieb, dann stellte sich die Frage nach dem Nutzen doch recht drängend.
Man könnte es auch so sehen: Die Onlinehändler der ersten Stunde, euphorisch über die neuen Möglichkeiten des Internets, waren vielleicht ein bisschen zu blauäugig. Sie glaubten dem Versprechen, dass all diese „unverzichtbaren“ Services wie von Zauberhand zum Erfolg führen würden. Es war die gleiche „Hoffnungs-Romantik“, die wir schon bei den Plattformen gesehen haben – die Illusion, dass alles automatisch besser wird, wenn man nur genug externe „Experten“ an Bord hat.
Am Ende des Tages lachten wahrscheinlich vor allem die Anbieter dieser Dienstleistungen. Sie hatten ein lukratives Geschäftsmodell gefunden, indem sie den oft unsicheren und überforderten Onlinehändlern ihre „Expertise“ verkauften – oft ohne dass ein klarer und messbarer Mehrwert für den Händler entstand.
So mancher Online-Pionier mag sich im Rückblick fragen, ob er sein Geld nicht besser in ein besseres Produkt, ein clevereres Marketing oder einfach nur in ein paar ruhige Nächte investiert hätte, anstatt seinen Shop mit einer Armada an teuren, aber nicht immer effektiven „Helfern“ zu schmücken. Aber hey, aus Fehlern lernt man – und vielleicht ist die wichtigste Lektion dieser Ära, dass der wahre Schlüssel zum Erfolg im Onlinehandel immer noch in einem guten Produkt, einem fairen Preis und einer direkten, ehrlichen Beziehung zum Kunden liegt. Und nicht in einem bunten Strauß an teuren Gütesiegeln.
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