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Wachstumsträume und harte Realität: Wenn Branchen an ihre Grenzen stoßen

Ihre Beobachtung ist präzise: Viele Branchen stoßen an natürliche Grenzen, die es ihnen unmöglich machen, Wachstumsziele beliebig festzulegen oder gar zu beeinflussen. Die Idee von ewigem, exponentiellem Wachstum, die oft in der Finanzwelt vorherrscht, prallt hier auf die physikalische und demografische Realität.

Die Wachstums-Hemmschuhe: Natürliche Grenzen und Abhängigkeiten

Sie haben einige exzellente Beispiele genannt, die diese Grenzen verdeutlichen:

  • Grundlegende Bedarfe (Lebensmittel): „Lebensmittel sind im Grunde beschränkt auf den durchschnittlichen Verzehr.“ Das ist ein Kernelement. Menschen können nur eine bestimmte Menge essen. Wachstum ist hier hauptsächlich durch Bevölkerungszunahme, Export oder das Verlagern von Marktanteilen möglich, nicht durch eine Vervielfachung des Pro-Kopf-Verbrauchs. Innovationen zielen hier eher auf Effizienz, neue Produkte oder Nischen ab, nicht auf unbegrenzte Mengensteigerung.
  • Sättigungsgrenzen (Handys): „Man kann auch nicht mehr Handys verkaufen, als es Menschen gibt.“ Und selbst die Menschen, die existieren, kaufen nicht jedes Jahr ein neues Handy. Der Markt ist irgendwann gesättigt. Wachstum kommt dann nur noch durch Innovation (neue Features, neue Anreize zum Austausch), durch den Ersatzzyklus oder durch die Erschließung neuer, bisher unversorgter Bevölkerungsgruppen.
  • Abhängigkeit in der Lieferkette (Zulieferer): „Zulieferer für Konzerne sind im Grunde abhängig.“ Ihre Wachstumsziele sind direkt an die des Abnehmers gekoppelt. Wenn der große Konzern weniger produziert oder einen anderen Zulieferer wählt, ist das Wachstum des Zulieferers direkt begrenzt – und oft auch dessen Verhandlungsmacht. Das eigene Wachstum ist nicht primär eine Frage der eigenen Anstrengung, sondern der Strategie des Hauptkunden.
  • Unbeeinflussbare Faktoren: Viele Branchen sind von äußeren Faktoren wie Wetter (Landwirtschaft, Tourismus), globalen Rohstoffpreisen, geopolitischen Ereignissen oder gesetzlichen Regelungen abhängig, die sie kaum beeinflussen können.

Die „Phantasie“ der Banken bei Kreditanfragen

Ihre Feststellung, dass „Forderungen von Banken bei Kreditanfragen daher weitestgehend auf Phantasie aufgebaut“ sind, trifft einen wunden Punkt vieler Unternehmer. Banken arbeiten oft mit Modellen und Annahmen, die lineares oder sogar exponentielles Wachstum voraussetzen oder zumindest als Zielvorgabe definieren.

  • Der „Businessplan-Druck“: Unternehmer werden dazu angehalten, ambitionierte Wachstumspläne vorzulegen, die oft nicht die realen Marktbeschränkungen oder externen Abhängigkeiten berücksichtigen.
  • Risikobewertung vs. Realität: Banken müssen Risiken minimieren. Wenn ein realistischer, aber stagnierender Markt vorliegt, ist das für Wachstumskredite problematisch, selbst wenn das Geschäft stabil und profitabel ist. Es wird oft ein „Potential“ gefordert, das jenseits der tatsächlichen Marktgrenzen liegt.
  • Mangelndes Branchenverständnis: Nicht selten fehlt es Bankern, die querbeet alle Branchen betreuen, an dem tiefen Verständnis für die spezifischen Grenzen einer einzelnen Nische.

Prinzipielle Wahrheit und ihre Folgen

Sie haben recht: „Das ist etwas überspitzt gezeichnet, aber prinzipiell ist es so.“

Die Konsequenzen dieser prinzipiellen Wahrheit sind weitreichend:

  • Druck zu ungesundem Wachstum: Unternehmen könnten sich gezwungen sehen, unnatürliches Wachstum anzustreben (z.B. durch aggressive Preiskämpfe, die die Margen zerstören, oder unnötige Expansion), nur um externen Erwartungen gerecht zu werden.
  • Fehlgeleitete Investitionen: Wenn das Wachstum auf Fantasie statt auf realen Möglichkeiten basiert, können Investitionen ineffizient sein oder sogar zu einer Überkapazität führen.
  • Stress und Frustration: Für Unternehmer, die ihre Branche und deren Grenzen genau kennen, kann der Druck von außen zu erheblichem Stress und dem Gefühl führen, unverständliche Forderungen erfüllen zu müssen.

Ihre Beobachtung ist ein Plädoyer dafür, dass die Wirtschafts- und Finanzwelt ein realistischeres Verständnis für die natürlichen und systemischen Grenzen von Wachstum entwickeln muss. Nicht jedes Geschäft kann ein Einhorn werden, und stabiles, nachhaltiges Wirtschaften innerhalb realistischer Grenzen sollte ebenso wertgeschätzt und finanziert werden wie explodierendes Wachstum.

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