Indonesien, das ist ein Land der tausend Inseln, unzähliger Kulturen und Sprachen. Es ist kein Wunder, dass sich in diesem Schmelztiegel der Traditionen eine reiche Sammlung an Sprichwörtern und Weisheiten entwickelt hat, die tief in der Alltagserfahrung, der Natur und den philosophischen Ansichten der Bevölkerung verwurzelt sind. Diese peribahasa (indonesische Sprichwörter) sind nicht nur sprachliche Kleinode, sondern auch Fenster zur Seele der indonesischen Kultur. Hier sind zehn der populärsten, zusammen mit ihren Bedeutungen und möglichen Ursprüngen:
1. „Nasi sudah menjadi bubur.“ – Reis ist bereits Brei geworden.
- Bedeutung: Was geschehen ist, ist geschehen. Es gibt keinen Weg zurück, die Dinge können nicht ungeschehen gemacht werden. Ähnlich dem deutschen „Was geschehen ist, ist geschehen“ oder „Es ist kein Zurück mehr“.
- Ursprung: Dieses Sprichwort kommt direkt aus dem indonesischen Alltag. Reis ist das Grundnahrungsmittel. Sobald er zu Brei gekocht wurde, kann man ihn nicht mehr in Reiskörner zurückverwandeln. Es ist eine einfache, aber kraftvolle Metapher für irreversible Handlungen.
2. „Ada udang di balik batu.“ – Hinter dem Stein versteckt sich eine Garnele.
- Bedeutung: Es gibt eine versteckte Absicht oder einen Hintergedanken, oft einen negativen oder eigennützigen. Jemand hat eine geheime Agenda.
- Ursprung: Dieses Sprichwort stammt aus der Beobachtung der Natur. Garnelen sind kleine, scheue Tiere, die sich gerne unter Steinen verstecken. Wenn man also eine Garnele sucht, weiß man, dass sie sich oft in einem Versteck befindet. Es deutet auf eine unsichtbare, aber präsente Ursache hin.
3. „Mulutmu harimaumu.“ – Dein Mund ist dein Tiger.
- Bedeutung: Kontrolliere deine Zunge, denn deine Worte können dich (oder andere) verletzen. Man soll vorsichtig sein, was man sagt, da Worte große Macht haben und Konsequenzen nach sich ziehen können.
- Ursprung: Der Tiger ist in vielen asiatischen Kulturen ein Symbol für Stärke, Gefahr und unkontrollierbare Kraft. Die Metapher vergleicht die wilde, zerstörerische Kraft eines Tigers mit der potenziellen Zerstörungskraft unüberlegter Worte.
4. „Air tenang menghanyutkan.“ – Ruhiges Wasser kann wegschwemmen.
- Bedeutung: Eine ruhige, unscheinbare Person kann viel Wissen, Weisheit oder auch eine verborgene Gefahr in sich tragen. Man sollte jemanden nicht nach seinem äußeren Anschein beurteilen.
- Ursprung: Dieses Sprichwort leitet sich von der Beobachtung von Flüssen ab. Ein ruhig fließender Fluss mag harmlos erscheinen, aber seine Strömung kann sehr stark sein und Dinge unwiderruflich mitreißen.
5. „Bersakit-sakit dahulu, bersenang-senang kemudian.“ – Erst Schmerz erleiden, dann später Freude genießen.
- Bedeutung: Ohne Fleiß kein Preis. Man muss erst harte Arbeit und Schwierigkeiten überwinden, um später Erfolg und Glück zu erlangen.
- Ursprung: Oft wird dieses Sprichwort mit einem weiteren Vers verbunden: „Berakit-rakit ke hulu, berenang-renang ke tepian.“ (Mit dem Floß stromaufwärts rudern, zum Ufer schwimmen). Dies beschreibt die mühsame Anstrengung, die nötig ist, um ein Ziel zu erreichen, bevor man die Belohnung erntet. Es spiegelt die harte Realität des Lebens und die Notwendigkeit von Ausdauer wider, besonders in ländlichen und auf Landwirtschaft basierenden Gesellschaften.
6. „Di mana bumi dipijak, di situ langit dijunjung.“ – Wo die Erde betreten wird, dort wird der Himmel hochgehalten.
- Bedeutung: Wenn man an einem fremden Ort ist, sollte man sich an die dortigen Sitten und Gebräuche anpassen. Oder allgemeiner: Man sollte die Regeln und Traditionen des Ortes respektieren, an dem man sich befindet.
- Ursprung: Dies ist ein Ausdruck für Respekt gegenüber lokalen Traditionen und dem Wunsch nach Harmonie. Der „Himmel hochhalten“ ist eine Metapher für das Respektieren und Annehmen der Kultur des Gastlandes. Es ist ein Aufruf zur Anpassungsfähigkeit und zum gegenseitigen Verständnis.
7. „Tong kosong nyaring bunyinya.“ – Eine leere Tonne klingt laut.
- Bedeutung: Wer wenig Wissen oder Substanz hat, spricht oft am lautesten und prahlt am meisten. Wer viel weiß, ist meist bescheidener.
- Ursprung: Die Metapher ist simpel und einleuchtend: Eine leere Tonne oder ein leeres Fass erzeugt beim Klopfen einen lauteren, hohleren Klang als eine volle. Es ist eine Kritik an Angeberei und Oberflächlichkeit.
8. „Buah jatuh tidak jauh dari pohonnya.“ – Eine Frucht fällt nicht weit vom Baum.
- Bedeutung: Kinder ähneln ihren Eltern in Charakter, Verhalten oder Aussehen. Ähnlich dem deutschen „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.
- Ursprung: Eine einfache Beobachtung aus der Natur, die die Vererbung von Eigenschaften oder die Prägung durch das familiäre Umfeld beschreibt.
9. „Lempar batu sembunyi tangan.“ – Den Stein werfen und die Hand verstecken.
- Bedeutung: Jemandem die Schuld zuschieben oder jemanden für ein Problem verantwortlich machen, das man selbst verursacht hat, während man selbst in der Anonymität bleibt oder sich der Verantwortung entzieht.
- Ursprung: Dies beschreibt das feige und unehrliche Verhalten, die Konsequenzen der eigenen Handlungen anderen zuzuschieben und sich nicht dazu zu bekennen.
10. „Ada asap, ada api.“ – Wo Rauch ist, ist auch Feuer.
- Bedeutung: Es gibt keinen Effekt ohne Ursache. Wenn es Gerüchte oder Anzeichen für ein Problem gibt, dann steckt meistens auch etwas Wahres dahinter.
- Ursprung: Eine grundlegende physikalische Beobachtung, die auf die allgemeine Logik von Ursache und Wirkung übertragen wird. Wenn man Rauch sieht, kann man sicher sein, dass es irgendwo brennt.
Diese Sprichwörter zeugen von der tiefen Weisheit und dem pragmatischen Denken der indonesischen Bevölkerung. Sie sind nicht nur alte Phrasen, sondern lebendige Ausdrucksformen, die immer noch im Alltag verwendet werden und uns einen Einblick in die kulturellen Werte und die Sichtweise auf das Leben in diesem faszinierenden Archipel geben.
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