Liebe Träumer und Idealisten, liebe Unternehmer mit Herzblut und alle, die schon mal versucht haben, einem Partner jeden noch so absurden Wunsch von den Augen abzulesen: Lasst uns heute über eine Marketing-Floskel sprechen, die so oft und gerne bemüht wird, deren Realitätsgehalt aber ungefähr dem eines Einhorns auf einer Cloud gleicht: „Wir erfüllen jeden Kundenwunsch!“
Ja, klingt toll, oder? Der Kunde als König, dessen Launen Gesetz sind, dessen Fantasie keine Grenzen kennt und dessen Wünsche prompt und ohne Murren erfüllt werden. In der Theorie eine schöne Vorstellung. In der Praxis? Nun, da scheitern nicht nur unzählige Beziehungen an diesem Anspruch, sondern auch so manches ambitionierte Unternehmen.
Vergleichen wir das doch mal mit einer privaten Partnerschaft. Stellen Sie sich vor, Ihr Liebster/Ihre Liebste kommt jeden Morgen mit einer neuen, revolutionären Idee um die Ecke: „Schatz, heute möchte ich zum Frühstück Kaviar auf Toast, serviert von einem dressierten Pinguin, während du mir eine Opernarie vorsingst!“ Klingt… charmant? Vielleicht einmal. Aber auf Dauer? Da würden selbst die geduldigsten Seelen irgendwann die rote Karte zücken und nach einem pragmatischeren Morgenritual plädieren.
Und genau hier liegt der Haken bei der „Wir erfüllen jeden Kundenwunsch“-Strategie im Geschäftsleben. Große Firmen und komplexe Strukturen sind eben keine dressierten Pinguine. Sie sind eher schwerfällige Tanker, die einen gut durchdachten Kurs verfolgen müssen, um nicht in der nächsten Wirtschaftskrise zu kentern. Sie definieren Produkte und Leistungen, die sie wirtschaftlich anbieten können, die in ihre Prozesse passen und die eine breite Masse ansprechen.
Die „Kundenwünsche“, die da so gerne zitiert werden, sind in vielen Fällen nämlich gar nicht so einfach zu erfüllen. Oft sind sie:
- Unrealistisch: Der Kunde wünscht sich die eierlegende Wollmilchsau zum Preis eines Hamsters. Er will High-End-Qualität zum Discount-Tarif und eine sofortige Lieferung per Teleportation.
- Unwirtschaftlich: Die Umsetzung des individuellen Wunsches würde Ressourcen verschlingen, die das Budget sprengen und den Preis für alle anderen Kunden ins Unermessliche treiben.
- Kontraproduktiv: Der Kunde hat zwar eine Vorstellung davon, was er will, aber in vielen Fällen fehlt ihm das Fachwissen, um die Konsequenzen seiner Wünsche zu überblicken. Er tappt im Dunkeln und würde mit seiner „Traumlösung“ am Ende mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.
Denn seien wir ehrlich: Gehen wir nicht gerade deshalb zum Profi, weil wir eben keine Ahnung haben? Der Heizungsbauer weiß besser, welche Rohre wohin gehören. Der Anwalt kennt sich im Paragraphen-Dschungel aus. Und die Autowerkstatt hat in der Regel mehr Expertise in Sachen Motordiagnose als der durchschnittliche Sonntagsfahrer.
Wenn der Kunde dem Heizungsbauer erklärt, er möchte die Heizungsrohre doch bitte aus Lakritz und mit Schleifen verziert haben, weil das so „gemütlich“ aussieht, dann wird der Profi wahrscheinlich freundlich aber bestimmt erklären, dass dies weder praktikabel noch sicher ist. Und das ist gut so! Denn der Profi hat das Know-how und die Erfahrung, um dem Kunden eine funktionierende Lösung zu präsentieren, auch wenn diese nicht exakt seiner ersten, vielleicht naiven Vorstellung entspricht.
Die Illusion, dass jedes Unternehmen ein persönlicher Wunschbrunnen für seine Kunden sein kann, ist also charmant, aber gefährlich. Sie führt zu unrealistischen Erwartungen und am Ende oft zu Enttäuschung – auf beiden Seiten.
Ein erfolgreiches Unternehmen ist eher wie ein guter Partner in einer reifen Beziehung: Man hört einander zu, man geht auf Bedürfnisse ein, aber es gibt auch Grenzen und Realitäten, die berücksichtigt werden müssen. Man definiert gemeinsam, was machbar und sinnvoll ist, und vertraut auf die Expertise des anderen.
Anstatt also dem romantischen Ideal der grenzenlosen Wunscherfüllung nachzujagen, sollten Unternehmen und Kunden gleichermaßen auf eine realistische und partnerschaftliche Kommunikation setzen. Der Kunde bringt seine Bedürfnisse und Vorstellungen ein, der Profi sein Fachwissen und seine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Am Ende steht idealerweise eine Lösung, die für beide Seiten tragfähig ist – auch wenn der dressierte Pinguin beim Frühstück dann doch zu Hause bleibt. Und das ist auch gut so, denn manchmal ist weniger „jeder Wunsch“ eben doch mehr „gutes Geschäft“ und – ganz nebenbei – auch mehr „vernünftige Beziehung“.
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