Die Gastronomielandschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war ein Spiegelbild ihres zentralistisch geplanten Wirtschaftssystems und ihrer sozialen Strukturen. Anders als im Westen, wo der Markt die Preise diktierte, waren die Preise in den DDR-Restaurants, Gaststätten und Cafés streng reguliert. Sie unterlagen einem komplexen System von Preisstufen, das für Westbesucher oft undurchsichtig, für die DDR-Bürger jedoch ein vertrauter Teil des Alltags war. Diese Preisstufen beeinflussten nicht nur die Kosten eines Essens, sondern auch die Art des Erlebnisses und die Klientel der jeweiligen Einrichtung.

Das System der Preisstufen: Planung statt Profit
Im Kern des Preisstufensystems stand die Idee der sozialistischen Gleichheit und Planbarkeit. Die Preise für Grundnahrungsmittel und Dienstleistungen waren niedrig gehalten, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten. Dies galt auch für die Gastronomie, die vorrangig der Versorgung und Erholung der Werktätigen dienen sollte.
Die Preisstufen wurden zentral festgelegt und hingen von verschiedenen Faktoren ab:
- Trägerschaft der Gaststätte: Die wichtigsten Träger waren die Handelsorganisation (HO) und die Konsumgenossenschaften (Konsum).
- HO-Gaststätten: Diese waren staatlich betrieben und umfassten die meisten Restaurants, Hotels und Gaststätten. Sie unterlagen einer strengen Preisregulierung.
- Konsum-Gaststätten: Sie gehörten den Konsumgenossenschaften, die ebenfalls eng mit dem Staat verknüpft waren, aber theoretisch eine etwas andere Struktur hatten. Die Preispolitik war jedoch vergleichbar mit der HO.
- Volkseigene Betriebe (VEB) und Kombinate: Viele große Betriebe hatten eigene Kantinen, die oft sehr preisgünstig waren, da sie subventioniert wurden, um die Versorgung der Arbeiter zu gewährleisten.
- Lage und Ausstattung: Ein Restaurant in bester Innenstadtlage mit gehobener Ausstattung hatte eine höhere Preisstufe als eine einfache Kneipe am Stadtrand.
- Angebotene Speisen und Getränke: Grundsätzlich galten für bestimmte Gerichte und Getränke fixe Preise, die je nach Preisstufe der Einrichtung variierten.
Die gängigen Preisstufen und ihre Bedeutung
Obwohl es regional und je nach Art der Einrichtung Nuancen gab, lassen sich grob folgende Kategorien der Preisgestaltung unterscheiden:
- Preisstufe I (Niedrigste):
- Typische Einrichtungen: Arbeiterkantinen, Betriebsrestaurants, einfache Gaststätten in kleineren Orten, Autobahnraststätten mit SB-Angebot.
- Preise: Extrem niedrig, oft stark subventioniert. Hier konnte man für wenige Mark (M) eine komplette, sättigende Mahlzeit bekommen. Ein Mittagessen konnte hier 1,50 M bis 3 M kosten.
- Charakteristik: Einfache, zweckmäßige Ausstattung. Fokus auf schnelle, unkomplizierte Versorgung. Das Essen war meist deftige Hausmannskost.
- Zielgruppe: Arbeiter, Angestellte während der Mittagspause, Reisende mit kleinem Budget.
- Preisstufe II (Mittel):
- Typische Einrichtungen: Die Mehrzahl der HO-Restaurants und Gaststätten in mittleren Städten, beliebte Ausflugslokale.
- Preise: Moderat, für die meisten DDR-Bürger erschwinglich. Ein Abendessen mit Getränk konnte hier vielleicht 8 M bis 15 M kosten.
- Charakteristik: Standard-Ausstattung, oft gediegen, manchmal auch mit lokalem Flair. Hier gab es eine breitere Auswahl an Gerichten.
- Zielgruppe: Familienausflüge, private Feiern, normale Restaurantbesuche.
- Preisstufe III (Gehobener):
- Typische Einrichtungen: Restaurants in besseren Lagen großer Städte (z.B. Berlin, Dresden, Leipzig), gehobene HO-Hotels, spezialisierte Gaststätten (z.B. Fischrestaurants).
- Preise: Merklich höher, aber immer noch weit entfernt von westlichen Preisen. Ein mehrgängiges Menü konnte 20 M bis 40 M kosten. Für den Durchschnittsverdiener ein seltenerer Genuss.
- Charakteristik: Anspruchsvollere Küche, oft mit Bedienung am Tisch, bessere Ausstattung, manchmal Live-Musik.
- Zielgruppe: Besondere Anlässe, Geschäftsessen, Westtouristen.
- Interhotels und Exquisit-Restaurants (Sonderkategorie):
- Typische Einrichtungen: Die wenigen Luxushotels (z.B. Hotel Metropol in Berlin) und ausgewählte „Exquisit“-Restaurants.
- Preise: Deutlich über den anderen Preisstufen. Hier wurde oft in Devisen (Valuta) abgerechnet, vor allem für Westtouristen, aber auch DDR-Bürger konnten hier mit speziellen „Forum Schecks“ oder Westmark-Gutscheinen zahlen. Das war der Ort, an dem sich die Partei-Elite und hochrangige Westbesucher trafen.
- Charakteristik: Luxuriöse Ausstattung, internationaler Service, oft auch Westprodukte und internationale Küche.
- Zielgruppe: Ausländische Gäste, Diplomaten, DDR-Bürger mit Zugang zu Devisen oder besonderer Berechtigung.
Die Realität hinter den Preisen
Das Preisstufensystem hatte seine Vor- und Nachteile:
- Vorteile: Es sicherte die Grundversorgung und machte Restaurantbesuche prinzipiell für jedermann erschwinglich. Es gab eine gewisse soziale Gleichheit im Zugang zur Gastronomie.
- Nachteile:
- Qualitätsunterschiede: Die niedrigen Preise führten oft zu Einsparungen bei den Zutaten und der Zubereitung.
- Mangel an Vielfalt und Innovation: Der Planwirtschaft fehlte der Anreiz für Innovation. Die Speisekarten waren oft standardisiert und änderten sich kaum.
- Verfügbarkeit: Trotz der niedrigen Preise war es manchmal schwierig, in beliebten Einrichtungen einen Tisch zu bekommen oder bestimmte Gerichte zu erhalten, da die Versorgungslage schwankte.
- Schwarzmarkt und „Bückware“: Hinter den Kulissen gab es oft einen florierenden inoffiziellen Markt für begehrte Zutaten, die dann in höherpreisigen oder „privilegierten“ Restaurants auftauchten.
Die Preisstufen der DDR-Gastronomie waren somit ein komplexes Gefüge, das die Ideale der Planwirtschaft mit den Realitäten der Versorgung und der sozialen Hierarchien verknüpfte. Für viele DDR-Bürger waren Gaststätten mehr als nur Orte zum Essen – sie waren Treffpunkte, Orte der Erholung und ein kleiner, erschwinglicher Luxus im Alltag. Ein System, das mit dem Fall der Mauer und der Einführung der Marktwirtschaft ein jähes Ende fand und heute nur noch eine historische Erinnerung ist.