Verehrte Freunde des sozialistischen Automobilbaus und alle, die schon einmal versucht haben, einen Nagel mit einem Telefonhörer einzuschlagen: Lasst uns heute eintauchen in die sagenumwobene Welt der PKW-Ersatzteilbeschaffung in der Deutschen Demokratischen Republik, mit besonderem Augenmerk auf den stolzen, aber manchmal zickigen Moskwitsch. Denn wer dachte, die Suche nach dem verlorenen Schatz der Nibelungen sei kompliziert, der hatte noch nie versucht, eine Zündspule für seinen geliebten „Moskwa“ aufzutreiben.
Der Moskwitsch, für viele Genossen und Genossinnen das Tor zur motorisierten Individualität (wenn man die Wartezeit von gefühlten fünfzehn Planwirtschaftsperioden und die anschließende Zuteilung gnädigerweise überstanden hatte), war ein robustes Gefährt. Seine spartanische Ausstattung hatte den Vorteil, dass weniger kaputtgehen konnte. Aber wenn doch mal der Geist aufgab – und das tat er mit einer gewissen ostalgischen Regelmäßigkeit –, dann begann die eigentliche „Planwirtschafts-Rallye“: die Jagd nach Ersatzteilen.
Diese Jagd glich oft einer Mischung aus Abenteuerroman, Spionagekrimi und zähem Ringkampf mit den allgegenwärtigen Mangelverwaltungen. Der klassische Weg führte natürlich zum staatlichen „VEB Kraftfahrzeugteile“. Betrat man diese heiligen Hallen, empfing einen meist ein muffiger Geruch nach altem Gummi und der leicht desillusionierte Blick eines Mitarbeiters, der schon mehr „Haben wir nicht!“ gesagt hatte als Angela Merkel „Das schaffen wir!“.
Fragte man nach einem spezifischen Moskwitsch-Teil, folgte in der Regel ein tiefes Seufzen, ein Blättern in einem Katalog, der älter aussah als Erich Honeckers Witze, und schließlich die lakonische Antwort: „Bestellt. Dauert.“ „Dauert“ konnte dabei alles zwischen drei Monaten und dem nächsten Kaltstart des Kosmos bedeuten.
Doch der findige Moskwitsch-Besitzer verließ sich natürlich nicht nur auf die staatlichen Kanäle. Hier entfaltete sich eine blühende Schattenwirtschaft, die so kreativ war wie ein Kollektiv von Zirkusartisten. Der Tauschhandel blühte. Wer einen Freund beim „VEB Reifendienst“ hatte, konnte vielleicht gegen eine Kiste Bückware (Westkaffee war die bevorzugte Währung) einen Satz runder Gummis ergattern. Beziehungen waren Gold wert, besser noch: sie waren eine intakte Lichtmaschine wert.
Die legendäre „Trabbi-Diplomatie“ spielte ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle. Trabbi-Fahrer, die ja bekanntlich in einer eigenen Liga der Improvisationskunst spielten, hatten oft ein überraschendes Netzwerk an Kontakten. Ein Wischerarm vom „Pappe“-Flitzer passte vielleicht nicht perfekt an den „Moskwa“, aber mit etwas gutem Willen, Draht und dem festen Glauben an die sozialistische Brüderlichkeit konnte man Wunder wirken.
Auch die „Mund-zu-Mund-Propaganda“ war ein wichtiger Faktor. Auf den Parkplätzen vor den „Kaufhallen“ oder an den Zapfsäulen der „Minol“ tauschte man geheime Informationen aus: „Hab gehört, in Suhl soll einer noch ’ne alte Wasserpumpe liegen haben, frag mal den mit dem himmelblauen…“ Es war wie eine Schnitzeljagd, bei der der Preis ein funktionierendes Auto war.
Die Kreativität der Moskwitsch-Fahrer kannte dabei keine Grenzen. Fehlte ein Teil, wurde improvisiert. Ein alter Kochtopfdeckel diente als Radkappe, eine ausgediente Duschmatte als Fußmatte und die berühmte „DDR-Allzweckwaffe“ – Panzertape – hielt gefühlt das ganze Auto zusammen. Manchmal hatte man den Eindruck, der Moskwitsch fuhr mehr durch pure Willenskraft und den unerschütterlichen Optimismus seines Besitzers als durch tatsächlich intakte Originalteile.
Und dann gab es noch die „Garagen-Goldsucher“. In den unzähligen Garagenkomplexen der Republik horteten manche Genossen wahre Schatzkammern an Ersatzteilen, oft aus „Beständen“, die auf mysteriöse Weise „organisiert“ worden waren. Hier konnte man fündig werden, wenn man die richtigen Leute kannte und bereit war, einen „Freundschaftspreis“ zu zahlen, der oft in einer Flasche „Nordhäuser Doppelkorn“ oder eben besagtem Westkaffee entrichtet wurde.
Die Ersatzteilbeschaffung für den Moskwitsch in der DDR war also weit mehr als nur der Austausch eines defekten Teils. Es war ein Abenteuer, eine Herausforderung und ein Beweis für den unbändigen Erfindungsgeist und die bemerkenswerte Solidarität der sozialistischen Autofahrer. Es war eine Zeit, in der man sein Auto nicht einfach reparieren ließ, sondern es mit List, Tücke und viel Improvisation am Leben erhielt. Und wer seinen Moskwitsch am Laufen hielt, der hatte nicht nur ein Auto, sondern auch eine beeindruckende Lebensleistung vollbracht.
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