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Indische Weisheiten: Zehn Sprüche, die das Leben lehren (und woher sie kommen)

Indien, ein Land der tausend Farben, Düfte und Philosophien, ist auch eine Schatzkammer zeitloser Weisheiten. In den Gassen Delhis, den Reisplantagen Keralas oder den Himalaya-Dörfern – überall begegnet man Sprichwörtern und Lebensregeln, die oft jahrhundertealt sind und tiefe Einblicke in die indische Denkweise geben. Viele dieser populären Sprüche haben ihre Wurzeln in alten Schriften, mündlichen Überlieferungen oder einfach im gesunden Menschenverstand des Alltags.

Hier sind zehn der populärsten indischen Sprüche und Weisheiten, die man kennen sollte:

1. „Jaan hai toh jahan hai.“ (जान है तो जहान है)

  • Wörtliche Übersetzung: „Wenn es Leben gibt, dann gibt es die Welt.“
  • Bedeutung: Dieses Sprichwort betont die höchste Bedeutung des Lebens und der Gesundheit. Es bedeutet, dass alles andere unwichtig ist, wenn man nicht am Leben ist oder seine Gesundheit verloren hat. Nur wenn man am Leben ist, kann man die Welt und ihre Freuden erfahren.
  • Ursprung: Diese Weisheit findet sich in verschiedenen Formen in der indischen Philosophie und Literatur. Sie spiegelt die Wertschätzung des menschlichen Lebens wider, die in vielen spirituellen Traditionen Indiens, wie dem Hinduismus, Buddhismus und Jainismus, tief verankert ist. Sie wird oft in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden verwendet.

2. „Jaisi karni waisi bharni.“ (जैसी करनी वैसी भरनी)

  • Wörtliche Übersetzung: „Wie man handelt, so erntet man.“
  • Bedeutung: Dies ist das indische Äquivalent zu „Wie man sät, so wird man ernten“ oder „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem anderen zu.“ Es lehrt das Prinzip des Karma – jede Handlung hat Konsequenzen, gute wie schlechte.
  • Ursprung: Die Idee des Karma ist ein zentraler Pfeiler vieler indischer Religionen und Philosophien (Hinduismus, Buddhismus, Jainismus). Dieses Sprichwort ist eine einfache und direkte Ausdrucksform dieses komplexen metaphysischen Prinzips, das seit Jahrtausenden mündlich und schriftlich weitergegeben wird, unter anderem in den Veden und Upanishaden.

3. „Bandar kya jaane adrak ka swaad.“ (बंदर क्या जाने अदरक का स्वाद)

  • Wörtliche Übersetzung: „Was weiß ein Affe schon vom Geschmack des Ingwers?“
  • Bedeutung: Dieses Sprichwort wird verwendet, wenn jemand den Wert oder die Qualität von etwas nicht schätzen kann, weil ihm das Verständnis oder der Geschmack dafür fehlt. Es ist vergleichbar mit „Perlen vor die Säue werfen“.
  • Ursprung: Solche Sprichwörter, die Tiere und alltägliche Beobachtungen nutzen, sind tief in der ländlichen und volkstümlichen Weisheit Indiens verwurzelt. Sie wurden über Generationen hinweg mündlich überliefert und spiegeln oft das Leben in Harmonie mit der Natur wider.

4. „Naach na jaane, aangan tedha.“ (नाच न जाने, आँगन टेढ़ा)

  • Wörtliche Übersetzung: „Kann nicht tanzen, und der Hof ist krumm.“
  • Bedeutung: Ein schlechter Handwerker schiebt die Schuld auf sein Werkzeug. Dieses Sprichwort beschreibt jemanden, der seine eigene Inkompetenz nicht eingestehen will und stattdessen die Umstände oder andere Faktoren verantwortlich macht.
  • Ursprung: Auch dies ist ein klassisches Beispiel für Volkswisheit, die aus der Beobachtung menschlichen Verhaltens im Alltag entstanden ist. Solche Sprüche sind in vielen Kulturen mit ähnlicher Bedeutung zu finden und zeugen von einer universellen menschlichen Eigenart.

5. „Ulta chor kotwal ko dante.“ (उल्टा चोर कोतवाल को डांटे)

  • Wörtliche Übersetzung: „Der Dieb beschimpft den Polizisten (Kotwal).“
  • Bedeutung: Dies beschreibt eine Situation, in der der Schuldige nicht nur seine Schuld leugnet, sondern auch noch den Unschuldigen oder denjenigen, der ihn zur Rechenschaft ziehen will, beschimpft. Es ist vergleichbar mit „der Topf nennt den Kessel schwarz“.
  • Ursprung: Dieses Sprichwort stammt wahrscheinlich aus der Zeit des Mogulreiches oder früherer Verwaltungen, in denen der „Kotwal“ der Chef der städtischen Polizei war. Es ist eine scharfsinnige Beobachtung der menschlichen Tendenz, die Schuld von sich zu weisen und sogar anzugreifen, um sich selbst zu verteidigen.

6. „Janani janmabhoomischa swargaadapi gareeyasi.“ (जननी जन्मभूमिश्च स्वर्गादपि गरीयसी)

  • Wörtliche Übersetzung: „Mutter und Mutterland sind größer als der Himmel.“
  • Bedeutung: Dieser Sanskrit-Vers betont die unvergleichliche Bedeutung der eigenen Mutter und des Geburtslandes. Ihre Liebe und ihr Wert übertreffen selbst die himmlischen Freuden.
  • Ursprung: Dieses ist ein berühmter Vers aus dem Epos Ramayana. Er wird Lord Rama zugeschrieben, als sein Bruder Bibhisan ihn bittet, nach dem Sieg über Ravana die Herrschaft über Lanka zu übernehmen. Rama lehnt dies ab und erklärt, dass er zu seinem eigenen Königreich zurückkehren möchte, da das Mutterland höher steht als jeder Reichtum oder Macht.

7. „Sau sunar ki ek luhar ki.“ (सौ सुनार की एक लुहार की)

  • Wörtliche Übersetzung: „Hundert Schläge eines Goldschmieds sind ein Schlag eines Schmieds.“
  • Bedeutung: Es bedeutet, dass eine einzige, kraftvolle und entscheidende Aktion effektiver sein kann als viele kleine, zarte oder ineffektive Bemühungen. Qualität und Stärke übertreffen bloße Quantität.
  • Ursprung: Dieses Sprichwort entstammt der Beobachtung des Handwerks. Ein Goldschmied arbeitet mit feinen Werkzeugen und vielen kleinen Schlägen, während ein Schmied (Luhar) mit einem schweren Hammer arbeitet und seine Ziele mit wenigen, kräftigen Schlägen erreicht. Es ist eine Metapher für Effizienz und Durchschlagskraft.

8. „Doodh ka jala chaach bhi phoonk kar peeta hai.“ (दूध का जला छाछ भी फूँक कर पीता है)

  • Wörtliche Übersetzung: „Wer sich an Milch verbrannt hat, bläst auch in Buttermilch.“
  • Bedeutung: Dies ist das indische Äquivalent zu „Ein gebranntes Kind scheut das Feuer“. Es bedeutet, dass jemand, der eine schmerzhafte Erfahrung gemacht hat, danach übervorsichtig wird, selbst bei harmlos erscheinenden Dingen.
  • Ursprung: Dieses Sprichwort ist tief in der Alltagserfahrung verankert und hat sich über Generationen durch Beobachtung und Erzählung entwickelt. Es spiegelt eine grundlegende psychologische Reaktion auf Trauma oder negative Erfahrungen wider.

9. „Ant bhala to sab bhala.“ (अंत भला तो सब भला)

  • Wörtliche Übersetzung: „Ist das Ende gut, ist alles gut.“
  • Bedeutung: Dies ist die indische Version von „Ende gut, alles gut“. Es besagt, dass die anfänglichen Schwierigkeiten oder Probleme einer Situation unwichtig werden, wenn das Endergebnis positiv ist.
  • Ursprung: Solche Sprichwörter finden sich in vielen Kulturen und sind Ausdruck einer universellen menschlichen Hoffnung auf ein positives Ergebnis, auch wenn der Weg dorthin steinig war. Es wird oft verwendet, um nach einer schwierigen Phase Optimismus zu verbreiten.

10. „Ek hi thali ke chatte-batte.“ (एक ही थाली के चट्टे-बट्टे)

  • Wörtliche Übersetzung: „Kleine Brocken aus demselben Teller.“
  • Bedeutung: Dies wird verwendet, um zwei oder mehr Personen zu beschreiben, die sehr ähnlich sind, oft im negativen Sinne, wie „Schurken gleichen Schlags“ oder „im selben Boot sitzen“. Es bedeutet, dass sie die gleichen Eigenschaften, Absichten oder ein ähnliches Verhalten haben.
  • Ursprung: Der Ursprung liegt in der gemeinsamen Mahlzeit, bei der alle aus demselben Teller essen. Die „chatte-batte“ (kleine Brocken) symbolisieren die Gleichheit oder Ähnlichkeit, die sich aus der gemeinsamen Quelle ergibt. Es ist ein Ausdruck der Beobachtung von Gleichheit im Verhalten von Gruppen oder Individuen.

Diese Sprüche sind mehr als nur Worte; sie sind kulturelle Anker, die die Weisheit, die Werte und den Humor Indiens widerspiegeln. Sie zeigen, wie tief Philosophie, Beobachtung und Alltagserfahrung in der indischen Gesellschaft verwoben sind.

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